Abarth 695 biposto

Abarth 695 biposto im Test
Klein nur in den Abmessungen

Auto-xxl — Fahrbericht vom 09.12.2014

Von seiner Gründung bis zum heutigen Tag hat Abarth immer wieder scheinbar Unmögliches möglich gemacht. Der geradezu mit Adrenalin aufgeladene Abarth 695 biposto ist ein weiterer Beleg für die handwerklichen Fähigkeiten, die Passion und die Kreativität der Officine Abarth in Turin.


Auch das stärkste Serienfahrzeug in der Geschichte der Marke verkörpert perfekt die Philosophie, die Carlo Abarth seinen Fahrzeugentwicklungen zugrunde legte: „Am Sonntag auf der Rennstrecke, am Montag auf dem Weg zur Arbeit."

Nach seiner Weltpremiere auf dem Genfer Salon und einigen Schauauftritten ist es nun soweit - Der Kleinste in der Liga der Supersportwagen, der die Fusion aus Leistung und Fahrgefühl eines Rennautos mit den Vorschriften der Zulassungsbehörden verbindet, kommt auf unsere Straßen. Und das zum Basispreis von 39.900 Euro. Mit einigen optionalen Kits können daraus allerdings leicht 60.000 Euro werden.

Pünktlich übrigens zum 50. Geburtstag des historischen Abarth 695, wobei der neue Stammhalter seinen automobilen Vorfahren in Sachen Leistungsfähigkeit naturgemäß deutlich übertrifft. Aus 22 kW/30 PS sind innerhalb eines halben Jahrhunderts 140 kW/190 PS bei einem maximalen Drehmoment von 250 Newtonmeter geworden, die Höchstgeschwindigkeit des neuen Abarth 695 biposto liegt mit 230 km/h runde 100 km/h über dem Wert von 1964.

Der Auftrag für die Ingenieure lautete kurz und knapp: Entwickelt ein Fahrzeug, das die Leistungsfähigkeit des in internationalen Rennserien eingesetzten Abarth 695 Assetto Corse hat, aber im ganz normalen Straßenverkehr legal gefahren werden kann. Natürlich nahmen die Techniker die Herausforderung an, die in den Eckdaten mündete: Die Leistung des Turbomotors 1.4 T-JET wurde auf 190 PS gesteigert. Die spezifische Leistung von 139 PS pro Liter Hubraum stellt einen neuen Rekord in dieser Klasse dar und das Leistungsgewicht beträgt 5,2 Kilo pro PS

Die Entscheidung, aus dem Motorsport stammende Komponenten für ein Straßenfahrzeug zu verwenden, macht aus dem neuen Abarth 695 biposto die extremste, jemals gebaute Variante des Modells. Auffallend sind unter anderem der große Ladeluftkühler, die über die Sporttaste aktiv steuerbare Dual-Mode-Abgasanlage Abarth by Akrapovic, das Performance-Luftfiltersystem von BMC, das vorne in der Höhe einstellbare Sportfahrwerk von Extreme Shox, das Bremssystem von Brembo, die gewichtsoptimierten 18-Zoll-Leichtmetallräder von OZ und die aus Titanrohren gefertigte Verstrebung von Poggipolini.

Und das Ganze wurde in ein attraktves Blechkleid verpackt. Die kraftvolle und individuelle Optik verbindet dabei maximale Performance mit italienischem Design und Elementen, die typisch für den ikonischen Stil der Marke sind. Der vordere Stoßfänger wurde mit dem Ziel optimierter Luftdurchströmung neu gestaltet und mit Kohlefaser-Einsätzen versehen. Der größere Spoiler an der hinteren Dachkante sorgt für mehr Anpressdruck auf der Hinterachse.

Wie bei Rennwagen üblich, bestimmt im Cockpit pure Funktionalität das Bild. Lediglich zwei Rennsportsitze sind an Bord, die hintere Sitzbank entfällt. Die Schalen der Sitze sind, je nach Version, aus Kohlefaser gefertigt und auf der Sitzfläche mit Alcantara und titanfarbenem Leder bezogen. Fahrer und Beifahrer werden optional von Vierpunkt-Hosenträgergurten gehalten, die an der Querstrebe befestigt sind.

Die Türen sind, ebenfalls wie bei Rennwagen üblich, mit einer einfachen Platte verkleidet. Statt konventionellen Ablagefächer sind Netze für das Unterbringen von kleineren Gegenständen vorgesehen. Die herkömmlichen Türgriffe sind außerdem durch zwei Schlaufen aus Gurtstoff ersetzt - völlig ausreichend, um die Türen zu schließen. Hinter den Sitzen verhindert ein Netz nicht nur Vorrutschen von etwaigem Gepäck, es dient auch zur Aufbewahrung von Helmen.

Der 1,4-l-Vierzylinder unter der Motorhaube ist weitgehend identisch mit den Renntriebwerken, die im Abarth 695 Assetto Corse und den Monoposto der Formel 4 zum Einsatz kommen. Die spezifische Leistung von 139 PS pro Liter Hubraum wurde durch Feinarbeit vor allem an Ansaugtrakt, Abgasanlage und Turbolader erreicht. Mindestens genauso beeindruckend sind das spontane Ansprechen des Triebwerks auf Bewegungen des Gaspedals und die hohe Durchzugskraft.

Auszuprobieren war dies auf einer Rennstrecke im norditalienischen Varano, wo man schon nach wenigen Runden nicht so sehr Vertrauen in seine Fahrkünste, sondern mehr in die des Fahrwerks des 695 biposto aufbaute. Noch beeindruckender war allerdings die Mitfahrt auf einer - abgesperrten - hügeligen und kurvenreichen Landstraße. Viel schneller geht es auch mit einem reinen Rallyeauto nicht. Da ist den Abarth-Ingenieuren ein gewaltiger Spagat perfekt gelungen.

Als Weltpremiere im Bereich straßenzugelassener Sportwagen kann der Abarth 695 biposto übrigens auf Wunsch mit einem klauengeschalteten Fünfgang-Rennsportgetriebe ausgestattet werden. Die Verwendung von Klauen, die in der Form an Hundefutter erinnern und deshalb im Englischen „Dog Rings" genannt werden, statt konventioneller Synchronringe an den einzelnen Gangrädern ermöglicht ultraschnelles Hochschalten ohne Betätigen der Kupplung. Die Schaltkulisse selbst ist ein aus Aluminium gefertigtes Wunderwerk der Feinmechanik und liegt offen, wie von Rennwagen gewohnt. Das konventionelle H-Schema blieb erhalten. (ar)
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