Mercedes-Benz M-Klasse ML

Mercedes-Benz ML
Martialisch den Hang hoch

Auto-xxl — Fahrbericht vom 30.08.2011
Endlich besinnen sich die Designer von Fahrzeugen für die Fahrt Abseits der Strasse wieder auf ihre Wurzeln. Das ist zumindest bei Mercedes-Benz so, dessen neues ML-KLasse Modell nicht mehr so brav aussieht wie in der Vergangenheit.


Ein maskulines Styling und robuster Unterbodenschutz an der Bugschürze signalisieren jedem Zweifler: "Hier ist ein echter Offroader unterwegs". Dennoch erreicht der Wagen einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,32, was nicht nur in der SUV-Klasse vorbildlich ist, sondern vor wenigen Jahren nur von Coupés erreicht wurde.

4x4-Antrieb gibt es wie gehabt von Haus aus, allerdings ist die Hochrüstung zur vollen Geländetauglichkeit mit 2 261 Euro zu vergüten. Es beinhaltet nicht nur die Luftfederung, die eine Erhöhung der Bodenfreiheit auf 258 Millimeter erlaubt und eine verstärkte Unterbodenverkleidung, sondern auch drei Differenzialsperren und ein Reduktionsgetriebe. Sich von sinnvollen Erfindungen inspirieren zu lassen, ist keine Schande und so ist der dazugehörige Drehschalter für die Programmwahl von jedem Fahrer besonders leicht zu bedienen, der in den letzten Jahren mal hinter dem Steuer eines Range Rover gesessen hat.

Ohne Beispiel ist hingegen die animierte Fahrzeugdarstellung auf dem Navigationsmonitor, wo bis hin zu den einfedernden Rädern jede Situation im Gelände realitätsgetreu visualisiert wird. Mit ihrer Hilfe kann der ambitionierte Offroad-Novize den staunenden Mitfahrern beweisen, dass der gerade schadlos passierte Abhang ein Gefälle von 60 Prozent aufwies. Beim Vorgängermodell wurde die Geländeausstattung für die harte Tour je nach Markt von zehn bis 15 Prozent der Kunden bestellt. In ähnlicher Größenordnung wird dies auch von der dritten ML-Generation seit 1997 erwartet.

Zu den lobenswerten Änderungen in der Cockpitgestaltung gehört, dass der Blinkerhebel aufgewertet und höher an der Lenksäule platziert wurde. Wer Jahrzehnte Mercedes fuhr, wird dies womöglich als Zumutung empfinden, für die Markenumsteiger, die Mercedes ja gewinnen will, ist es aber ein wichtiges Detail. Nunmehr ist die Bedienung einfacher und sicherer, da nicht mehr zufällig der Tempomat ausgelöst werden kann, wenn man abbiegen will.

Eine ebenso bekannte wie lästige Tatsache ist es, dass hohe Aufbauten eher der Querbeschleunigung nachgeben, als flach gebaute Autos. Zu den bauartbedingten Eigenheiten der SUV gehört ihr hoher Schwerpunkt, da macht auch die neue M-Kasse keine Ausnahme. Knapp 1,80 Meter sind selbst mit dem Standardfahrwerk nicht zu unterbieten. Damit die Karosse auch bei flotter Kurven- oder Slalomfahrt aufrecht bleibt, hat Mercedes eine Wankstabilisierung für 3 689 Euro extra entwickelt. Sie nutzt die Daten eines Querbeschleunigungs-Sensors, aktive Fahrwerkstabilisatoren an jeder Achse und eine Hydraulik-Pumpe, um die Fuhre im Lot zu halten.

Ein billiges Vergnügen ist Mercedes-Fahren noch nie gewesen, so dass der Mindestpreis von fast 55 000 Euro für den ML neuester Bauart die Kunden nicht wirklich abschrecken wird. Dafür bekommt man den ML 250 CDI, dessen Vierzylinder-Motor 150 kW/204 PS leistet. Das neue Modell kommt mit seinem Auslieferungstermin Mitte November keinen Moment zu früh. Im Konzert der drei Großen aus BMW X5, VW Touareg und ML-Klasse spielt das Mercedes-Produkt dieses Jahr nur noch die dritte Geige. In der Gewissheit des baldigen Modellwechsels haben sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres nur 3 850 Deutsche für die bisherige ML-Klasse entschieden.

Zweiter Diesel im Sortiment ist der ML 350 CDI, dessen Leistung 190 kW/258 PS beträgt. Sein bärenstarkes Drehmoment von 620 Newtonmetern setzt er schon bei 1 600 Umdrehungen frei, weshalb der Wagen mit einem Beschleunigungsvermögen von 7,4 Sekunden von null bis 100 km/h auch das temperamentvollste Fahrzeug im Angebot ist. Der Benziner in dem energischen Trio wird in Europa wohl nur eine Statistenrolle spielen, dürfte aber die Kunden im Herkunftsland der Baureihe ansprechen. Wie der Vorgänger auch wird die ML-Klasse im US-Bundesstaat Alabama gebaut, wo der 3,5 Liter große Sechszylinder mit 225 kW/306 PS durchaus seine Freunde finden dürfte.

Alle Motoren sind konsequent auf geringen Verbrauch und Schadstoffausstoß getrimmt. Dank Harnstoff-Injektion ("Add Blue") schaffen auch die Diesel bereits heute die Euro 6-Norm. Mit einem Minimalverbrauch von 8,5 Litern ist der Benziner ein genügsamer Geselle, der V6-Diesel stellt ihn aber klar in den Schatten: 6,8 Liter je 100 Kilometer sagt das Datenblatt, wofür ein Bündel von Effizienzmaßnahmen verantwortlich sind. Dass der wuchtige Schwabe diesen Wert auf dem Prüfstand erreicht hat, erscheint um so fabelhafter, wenn man weiß, dass der mit dem gleichen Motor ausgestattete, aber rund 150 Kilogramm leichtere E-Klasse-Kombi mit 7,1 Litern angegeben ist. Ursache der wundersamen Dursthemmung: Die Start-Stopp-Automatik, die beim ML inzwischen serienmäßig angeboten wird.

Der respektable Verbrauchswert wird noch von dem kleinen Dieselmotor unterboten. Das intern als OM 651 bezifferte Aggregat ist inzwischen zur Allzweckwaffe bei Benz avanciert, ist es doch in C-, E-, GLK-Klasse anzutreffen und seit kurzem auch in der S-Klasse. Es dreht kernig, aber kultiviert hoch, hat mit den zwei Tonnen Auto keine Probleme und schnurrt auf der langen Geraden gemütlich dahin, so dass am Ende bis zu sechs Litern je 100 Kilometer heraus kommen können. Der geringer verdichtete Sechszylinder gewinnt Sympathie durch das souveränere Klangbild. Beiden gemein ist eine leise Anfahrschwäche, denn erst wenn der Turbo Druck erzeugt, geht richtig die Post ab. Verzögerungen in der Kraftentfaltung kennt der Benziner nicht, aber dafür klingt er dort, wer er am meisten Kraft freisetzt, nämlich um die 5 000 Touren, schon ein wenig angestrengt.


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